Ideen-Fabrikant, Generaldirektor der Traumfabrik

Am 27. August 2015 stand Österreich im Zeichen eines schrecklichen Ereignisses. Auf der A4 bei Parndorf waren in einem Kühl-LKW 71 Menschen tot aufgefunden worden. Die Flüchtenden waren darin erstickt. Kurz nach diesem Fund kam es zur Öffnung von Grenzen, in deren Folge zahlreiche Menschen nach Europa und auch nach Österreich kamen. In den Jahren 2015 und 2016 suchten etwa je 1,3 Millionen Menschen in Europa Schutz. Seither sind die Zahlen wieder stark gesunken. Die Grenzen wurden geschlossen, die Flüchtlingspolitik restriktiver. Die anfängliche Hilfsbereitschaft schlug vielerorts in Ablehnung bis hin zur Feindseligkeit um.

Vor einem Jahr gedachten wir auf einem Autobahnparkplatz der A4 unweit dieser Pannenbucht der Toten von Parndorf: Dort versammelte sich am 28. September 2018 eine kleine Gruppe von Menschen um eine Schiffsinstallation, die Arche Noah 2.0. Sie war im Juli 2018 von Asylwerbern der Region Neusiedl am See unter der Leitung des Künstlers Hüseyin Işık an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden gebaut worden als ein Symbol für das Schutzschiff, das vor der Flut rettet; aber auch als Erinnerung an die Boote, mit denen viele der Teilnehmer das Mittelmeer überquert hatten, oft abenteuerliche, hoffnungslos überfüllte Schiffskonstruktionen. „Das Boot ist nicht voll“, stand auf einem Banner zu lesen, „Der Weg in die Freiheit darf nicht zum Weg in den Tod werden“ war das übergeordnete Motto.

Fluchtworte

Die Veranstaltung beschränkte sich nicht auf die Ausstellung der Installation. Der Toten sollte auch mit Worten gedacht werden. Die BesucherInnen wurden daher eingeladen, Texte zum Thema Flucht und Vertreibung zu lesen. Zu hören waren Texte namhafter Autoren ebenso wie neue Texte; Christa Zettel las aus ihrem eigens für die Veranstaltung geschriebenen Text „Flucht“.

Christa Wendelin, Richard Bodyn, Willi Stelzhammer und Hüseyin Işık nahmen ebenso an der Lesung teil wie zwei Menschen, die selbst einst in Österreich Schutz gesucht hatten: Saleh Shlash und Wasiat Dawodu (letztere ließ ihren Text verlesen, da sie selbst nicht anwesend sein konnte).

Diese Stimmen waren in gewisser Weise der Ausgangspunkt für viel-stimmig. Denn diese Stimmen gehen zumeist in der medialen Berichterstattung unter. Die Texte dieser beiden Betroffenen waren beeindruckend. Und solche Stimmen sind viel zu selten zu hören.

Stellvertretend für beide steht hier das Gedicht, das Saleh Shlash bei der Veranstaltung selbst vorgetragen hat:

Denk an ein Meer ohne Wasser,

an einen Menschen ohne Freunde,

an eine Nacht ohne Schlaf.

Denk an ein Herz ohne Liebe

Und

Denk mal an mich ohne dich.

Die Reise in die Freiheit darf nicht die Reise in den Tod sein

Arche Noah 2.0

Das Boot ist nicht voll